Nachruf
Meine Erinnerungen an zwei für die Städte Lübeck und Kiel wichtige Künstlerpersönlichkeiten. Beide verstarben vor kurzem und relativ nah hintereinander.
Erich Lethgau, geb. am 23.11.1940, gestorben am 11.09.2020
Gerhard Backschat geb. am 09.01.1940, gestorben am 30.10.2020
Gerhard Backschat
Als ich 1972/73 in die Gemeinschaft Maler und Bildhauer e.V. aufgenommen wurde, sah die Gemeinschaft noch ganz anders aus, und hauptsächlich männliche Kollegen führten die Künstlergemeinschaft mit der damaligen Größe von etwa 30 bis 40 Personen. Ich lernte Gerhard Backschat als leisen und sehr bescheidenen Menschen kennen, der genau wusste, was er wollte und konsequent seinen gesetzten Zielen folgte. Gerhard Backschat und Erich Lethgau – in den 1970er Jahren genannt „die Zwillinge“ – waren in den Arbeitsausschüssen und im Ausstellungsgeschehen aktive Persönlichkeiten und bekannt geworden durch ihre gemeinsam geplanten und durchgeführten zahlreichen Projekte für die Kunst im öffentlichen Raum, damals Kunst am Bau. Beispiele kennt man in Lübeck u.a. vor dem Behördenhochhaus, vor Schulen, der Uni und Fachhochschule, dann über Lübeck hinaus in Hamburg, Rendsburg, Eutin, an der ehemaligen Grenzstelle Gudow der Autobahn nach Berlin. Auch als Maler und Grafiker waren ihre Arbeiten jedes Jahr in den Jahresschauen – damals noch im Museum am Dom – ein High-Ligth – . Beide Künstler muss man zu den Konstruktivisten zählen. Sie bemühten sich intensiv um die gute Form und bewusste Farbauswahl. Weiterlesen...
1962 bis 1968 studierte Gerhard Backschat an der Fachhochschule für Gestaltung Kiel (ehemalige Muthesius- Werkkunstschule) . Seit 1974 übernahm er einen Lehrauftrag an dieser Fachhochschule Kiel für den Fachbereich Gestaltung, Malerei, Grafik und Objekt. Bis ins Jahr 2012 unterrichtete er viele Studienanfänger-Innen als Dozent für die Farbenlehre. Er bezeichnete sich selbst als abstrakten und konkreten Künstler. Seine Arbeiten waren immer OT (ohne Titel), seine Farbwahl folgte jedoch nicht den strengen Gesetzen der Konstruktivisten, die nur die reinen Primärfarben in der Kombination von Nichtfarben gelten lassen wollten. Er verzichtete nicht dogmatisch auf weitere Mischfarben und auf Hell-Dunkel-Übergänge, nein, er erarbeitete sich eine eigene Farbenlehre, die auf seinen Erfahrungen beruht, u.a. dass jeder Mensch auf eine bestimmte Farbe anders reagieren kann. In Kiel trat G. Backschat in den Bundesverband Bildender Künstler S-H (BBK) ein, in dem er sich ab 1981 – 1999 stark für den Ausstellungsbetrieb der vereinseigenen Ausstellungen im Brunswiker Pavillon engagierte. Er prägte das Farbkonzept des BBK Pavillons und war mitverantwortlich für die Gestaltung der Landesschau-Kataloge. Parallel zu seiner Tätigkeit in Kiel machte der sich in Lübeck wohnende Künstler und Lehrer G. Backschat einen guten Namen in der Gemeinschaft Lübecker Maler und Bildhauer. Auch hier war er unermüdlich in den Arbeitsausschüssen bis in die 1990er Jahre tätig für die Durchführungen der Jahresschauen und die Gestaltung der Kataloge. Man sollte bedenken, dass alle Arbeiten in den Vereinen ehrenamtlich getätigt werden und ungeheuer viel Zeit kosteten.
Als ich Ende der 1970er und zu Beginn der 1980er Jahre zum ersten Mal den Posten des ersten Vorsitzenden der Gemeinschaft übernahm, wurde bekannt, dass die Jahre der Jahresschau im Museum am Dom bald vorbei sein würden. Das Museum sollte zum Naturhistorischen Museum umgebaut werden, und die Künstler sollten sich eine neue Bleibe suchen. In den 1980er Jahren versuchten G. Backschat als 2. Vorsitzender und ich ein Haus zumindest für vereinseigene Ausstellungen zu finden. Wir gründeten mit vielen bekannten Lübecker Bürgern und Politikern 1982 einen Förderverein und konnten schon bald ein Haus im Engelswisch 65 finden, dass für uns als Künstlerzentrum für moderne Kunst saniert und ausgebaut wurde. Wir konnten das neue Domizil 1984 beziehen. G. Backschat blieb lange Zeit bis zum Ende des Fördervereis im Dezember 2000 die aktive, treibende Kraft im Ausstellungsbetrieb des Vereins. Er prägte das Gesicht, die Kataloge und Veröffentlichungen des Künstlerzentrums mit seinen überzeugenden Farb- und Formsinn. Als das Museum am Dom tatsächlich in ein Naturhistorisches Museum umgewandelt wurde, gab uns das neu gegründete Forum Burgkloster die Möglichkeit, in seinen Räumen die Jahresschau und eine Frühjahresausstellung zu zeigen.
Backschats lange Arbeit als Dozent für Farbpsychologie in Kiel an der Fachhochschule , aber auch im BBK wirkte sich auch aus auf den Ausstellungsbetrieb im Künstlerzentrum Lübeck, da auf diesem Wege viele junge und frisch ausgebildete Künstler-Innen ihre neuen und modernen Arbeiten auch anderenorts ausstellen konnten. Für Lübeck war das ein großer Gewinn!
Ganze 40 Jahre arbeitet G. Backschat dann auch noch als Dozent an der Lübecker VHS. Das sind bis zum September 2020 ganze 80 Semester anspruchsvollen Unterrichts an der Lübecker VHS mit sehr vielen treuen Teilnehmern-Innen. Ebenso war er jahrzehntelang tätig für die Vorwerker Diakonie und verantwortlich für das Design, Logo und andere Tätigkeiten wie u.a. die Kunst- und Kunsthandwerker Märkte. Der Gemeinschaft Lübecker Künstler blieb er als Mitglied bis zu seinem Tode treu, wenn er auch schon viele Jahre keine Arbeiten z.B. in den Lübecker Jahresschauen zeigen mochte.
Für seine großartige Arbeit als Lehrer und Künstlerkollege hat er in Kiel und besonders in Lübeck viele Spuren hinterlassen und viele Menschen durch seinen Unterricht beglückt.
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Künstlerseite von Gerd Backschat bei der Gemeinschaft Lübecker Künstler
Erich Lethgau
Ein ebenso beeindruckender Künstler und Mensch war Erich Lethgau. Auf mich wirkte er ähnlich wie Gerhard Backschat sehr ruhig, gelassen und besonnen. Während sich G. Backschat bis zu seinem Tode für die pädagogische Arbeit in der Erwachsenbildung entschieden hatte und sich von seiner freischaffenden Arbeit als Künstler immer mehr zurückzog, war es bei Erich Lethgau genau umgekehrt. Er zog sich im Laufe der Jahre immer weiter zurück von der Öffentlichkeit, trat aus den Verbänden aus und arbeitete erfolgreich als freischaffender Künstler. Seit 1995 betrieb er bis zu seinem Tode seine Galerie EL in der Hüxstraße der Lübecker Innenstadt.
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Erich Lethgau studierte 1962 bis 1965 an der HfbK Hamburg und der Universität Hamburg. Nach seinem Studium arbeitete er von 1966 – 1977 als Kunstlehrer in Lübeck und in Hamburg. Er gründete in Stubben bei Bad Oldesloe in einem ehemaligen Schulgebäude seinen Wohnsitz und hatte mit seiner Frau Anke 5 Kinder. Er trat in die Gemeinschaft Lübecker Maler und Bildhauer e.V. und in den Bundesverband Bildender Künstler S-H e.V. (BBK) ein und bewarb sich viele Jahre erfolgreich mit seinen typischen Arbeiten – Reliefs und Siebdrucke – bei der Lübecker Jahresschau und der Landesschau. Im BBK half E. Lethgau lange Zeit ehrenamtlich als Fotograf für die Erstellung der Aufnahmen für den Landesschau-Katalog. Gemeinsam mit G. Backschat trat er lange Zeit als guter Organisator und Gestalter großer Gruppenausstellungen wie für die Jahresschauen oder Frühjahresausstellungen in Lübeck in Erscheinung. Bis 1970 arbeitete er zeitweilig mit dem Bildhauer Georg Weiland in Reinfeld zusammen und ab dem Jahr 1971 für einige Jahre in einer ARGE zusammen mit Gerhard Backschat. Nachdem er sich 1977 vom Schuldienst zurückgezogen hatte, widmete er sich ausschließlich als erfolgreicher freischaffender Künstler seinen plastischen Objekten, mit denen er in ganz Deutschland Erfolg hatte. Er realisierte Reliefs, Objekte und viele Freiplastiken, Wegzeichen und Mahnmale für die Opfer des Nationalsozialismus als Kunst im öffentlichen Raum u.a. in Kiel, Rendsburg, Westerland/Sylt, Rellingen, Bad Oldesloe, Lübeck, Neumünster, Bargteheide, Uetersen, Geesthacht, Oldenburg, Hameln, Hamburg und München. Auch er hatte ähnlich wie G. Backschaft eine ganz eigenes Farbverständnis und war eine Zeit lang als Farbberater und Berater für Orientierungssysteme im Schul-, Verwaltungs- und Industriebau tätig.
Der Kunsthistoriker Dr. Jenns E. Howoldt äußerte sich zu seinen Arbeiten wie folgt: „…Die strengen, statischen Bildfiguren, die eine stille, ja fast meditative Haltung ausdrücken und vom Betrachter verlangen, werden in zwei Richtungen weiterentwickelt: der Dynamisierung von Farbe und Form durch deren flexibles, fast organisches Schwingen und der plastischen Modellierung der Fläche durch das Relief. …Ein Grundzug dieser Arbeiten scheint mir darin zu liegen, dass sie einen Ausgleich zwischen Bewegung und Ruh, eine Verbindung des Konstruktiven mit dem Organischen suchen.“
Lübeck, den 06.11.2020
Rainer Wiedemann, 1. Vorsitzender der Gemeinschaft Lübecker Künstler e.V.